Kirchboot-Wanderfahrt der Ruderfrauen

Samstag, 7. Juli 2012

Bei kühlen Temperaturen treten am Samstag um 6 Uhr die ersten zehn Frauen mit zwei Ruderclubbullis die Fahrt nach Friesland in Holland an. Ein Trupp begibt sich allerdings auf dem Weg zuerst nach Grürmannsheide. Auf der Höhe hinter den hohen Buchen holen wir Christel, Gabi und Melanie ab.

Bei herrlichem Sonnenschein kommen wir pünktlich um 10 Uhr im Stayokay in Sneek an. Zur Begrüßung gibt es sehr kleine Törtchen und Kaffee. Doch wir haben ja vorgesorgt und einige genießen auch schon ihre noch zu Hause geschmierten Brote. Anschließend geht es zum Ruderclub und der Besichtigung unseres „Kirchbootes“. Die Skulls zum Steg tragen ist hier unsere leichteste Übung. Das Kirchboot hat doch enorme Ausmaße und wird von 13 eifrig hantierenden Frauen Richtung Wasser gebracht. Das Manövrieren um eine 90° Grad Ecke ist mit teils holländischen, teils deutschen Anweisungen eine Meisterleistung. Das Zuwasserlassen gestaltet sich schwieriger. Wohin sollen wir uns stellen? Auf den Bootswagen? Auf das Boot? Oh, der Steg senkt sich, wir bekommen nasse Füße, aber doch bitte jetzt noch nicht! Marianne Bäumker legt sich nach Einsatz ihrer Kräfte lang, Marie-Luise stürzt ab und kann sich gerade noch bei Melanie festkrallen. Zum Glück ist nichts gebrochen und plötzlich gleitet das Kirchboot ruhig und gemächlich ins Wasser. Voller Tatendrang richten wir uns mit den Seesäcken, den Skulls und Sitzpolstern ein. Schnell finden sich die nebeneinandersitzenden Partnerinnen und los geht die Fahrt. Doch Christel kontrolliert nach wenigen Metern erst unsere Fähigkeiten. Wir dürfen Wenden vorführen, Riemen lang machen und uns lang ins Boot legen. Meistens klappt es und sie lässt uns die ersten 3 km gemächlich und entspannt rudern.

Wir umrunden das südliche Sneek und dürfen während einer Pause bei einem Wettbewerb der Grachtenspringer zusehen. Viele junge Menschen versuchen sich mit Hilfe einer Stange von einer Seite über ein breites Wasserbecken zur anderen Seite zu befördern. Sie nehmen Anlauf, fassen die im Wasser steckende lange Stange, schwingen sich damit nach vorne und klettern möglichst schnell wie ein Äffchen an der Stange hoch. Nur wenn sie genug Schwung haben, kippt die Stange zur anderen Seite und sie können in den weichen Sand springen. Ein Mädchen schafft es nur bis zur Hälfte und landet im Wasser. Von uns hat sich aus „Zeitgründen“ niemand getraut. Während dieser Pause genießen wir den ersten Sekt, essen unsere mitgebrachten Brote, es werden selbstgebackene Törtchen gereicht, es kreisen Mürbeteigtörtchen mit Gehacktem von Schinken umwickelt und Törtchen mit Zucchini und Tomate. Später dürfen wir noch die Pizzaschnecken kosten oder doch lieber Müslistangen, Schokolade oder Obst genießen. Zum Glück haben wir für den 1. Tag an Verpflegung gedacht, denn unterwegs gibt es nirgends etwas zu kaufen. Es ist von allem reichlich da. Auf dieser Fahrt muss keiner hungern.

Wir erleben auf unserer Fahrt durch die Grachten von uns faszinierte Holländer. Anscheinend haben sie noch nie ein Boot voller Frauen gesehen. Man jubelt uns zu, fotographiert uns und wünscht uns gute Fahrt. Hat man uns ernst genommen?

Am Stayokay können wir nach 17 Uhr an einem großen Motorboot anlegen und uns über das Deck zum Steg begeben. Die Zimmerverteilung wird per Flaschendrehen ermittelt. Wir beziehen 4er, 5er und 6er Zimmer mit Jugendherbergsstandart aber groß genug und sauber. Die Duschen funktionieren einwandfrei und schon geht es zum Abendessen. Auf dem Speiseplan stehen Suppe, Fleischklöße in Sahnesoße mit Nudeln, Tortellinies und Salatbuffett, aber bitte nur das von der linken Seite, da die Auswahl auf der anderen Seite für eine andere Gruppe mit höherem Standard bestellt ist. Na macht nichts. Der leckere Nachtisch (3Sorten) darf dafür auch mehrmals angesteuert werden. Am Abend wandern wir durch den malerischen Ort Sneek mit seinen vielen Schiffen, Jachten, Holländerhäuschen und schönen Blumenterrassen. Wir gehen zum Waterport und genießen unser erstes kühles Schneewittchen.

Sonntag, 8. Juli 2012

Frühstück um 8.00 Uhr mit holländischem Brot, Knäcke, Müsli und Zubereiten des Lunchpaketes. Warum kennen die hier kein deutsches Brot?

9.45 Uhr Abfahrt in Sneek. Es geht durch Sneek Richtung Heeg. Jetzt sind Steuerkenntnisse nötig. Christel managt jede noch so enge Durchfahrt. „Riemen lang, Enterhaken raus, abstoßen, Vorderschiff zwei Schläge voraus, langsam, langsam, ohne Kraft, ohhhne Kraft, Wende über Backboard, 1 Schlag voraus, Steuerboard abbremsen, alle abbremsen, …“ Wir gehorchen und tun unser bestes. Auf unserer Tour besichtigen wir noch einmal den Waterpoort und dann geht unsere Fahrt weiter. Auch jetzt wieder – Menschen jubeln uns zu, Hunde bellen uns aus. Warum nur?

Eine Brücke erscheint uns zum Durchfahren recht niedrig. Monika meint: „Passt nicht“, Heike und Thea glauben: „Es könnte gehen“. Da erscheint der Brückenwärter: „Die Brücke ist hoch genug für das Boot.“ Also „ohne Kraft voraus.“ Marianne verhindert mit dem Enterhaken Schlimmeres. Es passt nicht. Zum Glück ist nichts kaputt. Und so verlassen wir Sneek in Sonnenschein. Alle sind sonnengeschützt mit Faktor 30-50. Gabi verteilt großzügig ihren Stift, soll gegen Blasen an den Händen helfen. Scheint zu funktionieren. Keiner klagt. Was will man mehr, Sonne, seichter Wellengang und die jubelnden Menschen am Uferrand. Doch dann zeigen sich erste Wolken aus Richtung Heeg. Christel verweigert die Regenjacke, doch dann schnell alle Jacken raus. Gott sei Dank haben wir wasserfeste Sonnencreme. Die letzten 3 Kilometer sind endlos, das Vorderschiff ist kurz vor der Meuterei. Endlich ist das „Heeger Meer“ in Sicht. Marianne grummelt: „Scheiß auf das Meer.“ Andere: „Wo ist Stayokay?“ „Das sind niemals 3 Kilometer!“

Endlich – das Stayokay ist in Sicht. Jubel über Jubel. Nass aber glücklich diese langen 3 Kilometer geschafft zu haben, legen wir an, wünschen uns eine warme Dusche und trockene Anziehsachen. Doch wo sind unsere Klamotten? Sie treffen erst viel später ein. Im Speiseraum dürfen wir uns mit Kaffee, Latte, Cappuccino aufwärmen. Doch was machen wir mit unserem vielen Sekt? Wir feiern Geburtstag.

16.00 Uhr wir feiern Melanies Geburtstag.

16.10 Uhr wir feiern den Geburtstag von Bettys Schwester.

16.20 Uhr wir feiern Mariannes Geburtstag (ist zwar erst in 4 Wochen, aber macht ja nichts)

16.25 Uhr wir jubeln uns selbst zu und lachen Tränen.

16.30 Uhr wir sind in der Lage zu rudern – 6 Kilometer in und um Heeg. Das waren nie 6 Kilometer. Es sind immer 5 Kilometer.

Auf dem Tussendeck beziehen wir Quartier, teils recht klein mit der Bewegungsmöglichkeit im Zimmer, möglichst nur für eine Person, die anderen verziehen sich so lange ins Bett oder nach draußen. Beim Abendessen treffen wir unsern Koch vom Vortag wieder. Begleitet er uns kochmäßig auf unserer Fahrt? Oder ist es doch ein anderer Koch? Einen Nachtisch vom Vortag gab es hier zumindest auch. Hat er ihn mitgebracht? Es gibt leider keinen Nachschub. Aber wir haben ja noch Törtchen vom Vortag, Müslistangen, Obst. Hier muss zum Glück keiner hungern. Nach dem Abendessen schauen wir uns Heeg von Land an. So viele Segelboote haben einige von uns noch nie gesehen.  Zufällig treffen wir Ruderer von Hansa Dortmund, aber wo bleibt der Jubel? Sie sind zu einem Gespräch anscheinend nicht mehr in der Lage, sie versuchen nur noch ihren fehlenden Landdienst zu finden. Wir dagegen können in einer Bar unseren „Schlaftrunk“ genießen. Nur leider wirkt er nicht bei allen gleich gut. Aber über Nächte reden wir nicht, da müssen alle durch.

Montag, 9. Juli 2012

Der Wetterbericht spricht von Windstärke 6 – mindestens. Der Heeg-Herbergsvater gibt uns hilfreiche Streckentipps. „Der kleinere See“ ist gefährlicher, also los geht es mit Thea auf dem Steuersitz. Nach 500 Meter wird wieder gewechselt. Christel wird ihren Posten auf dem Steuerplatz nicht los. Heute dürfen wir mal richtig segeln. Wir machen richtig Fahrt. 3 Kilometer in weniger als 15 Minuten und das ohne Anstrengung. So könnte es weitergehen. Ein Hoch auf unserer Steuerfrau! Doch irgendwann geht es auch mit dem Rudern wieder weiter. Marianne F. hat sich extra für die Tour ein eigenes Schaffellsitzkissen hergestellt. Dies wandert zum Ausprobieren von einer Ruderin zur nächsten. Alle sind begeistert, doch eine Abwechslung der Sitzunterlage wird von den meisten bevorzugt. Dann wird es ernst. Wir erreichen das Goingarypster Pollen, ein Nebensee des Sneeker Meeres. Volle Konzentration. Wir geben alles und fühlen uns wie Piraten. Das Boot hält, auch wenn die Wellen gefährlich hoch schlagen und uns Wasser ins Gesicht spritzt. Es regnet Gischt und noch immer ist kein Land in Sicht. Christel leistet Aufbauarbeit. „Immer schön ruhig bleiben.“ Endlich erreichen wir ruhigere Gewässer, wir kommen in einen Hafen und legen an. Die Sonne scheint und wir genießen diese wunderbare Pause im Sonnenschein. Zurück beim Boot hat sich doch wirklich ein Fender verabschiedet. Wir suchen noch im Schilf, doch vergeblich. Später in Grou kaufen Marianne und Marie-Luise schnell einen neuen und so ist alles wieder o.k. Die nächste Rast ist in Akrum. Schwierigkeiten bekommen wir dann bei der Ankunft in unserer letzten Herberge. Es ist kein Ankerplatz für uns vorhanden. Keiner scheint zuständig zu sein. Dann findet sich doch ein netter Herr, der erklärt, dass zuerst noch die Boote einer Kinder- und Jugendgruppe anlegen müssen und wir dann vor einem Transportboot anlegen dürfen. Also alle wieder an Bord und eine weitere Runde rudern. Endlich habe es alle geschafft, an der Jugendherberge anzulegen und wir können andocken. Unsere Zimmer, zwei an der Zahl werden bezogen und begutachtet. Zimmergröße na ja, Duschen recht klein, aber diese Nacht schaffen wir auch zu acht bzw. zu siebt auf dem Zimmer. Wir sind ja zimmertechnisch erfahren, auch wer mit wem wie oft zusammen auf einem Zimmer geschlafen hat. Abendessen gibt es um 18 Uhr und bei der Anzahl an Kindern und Jugendlichen im Haus erscheinen wir sicherheitshalber etwas früher. Wir werden sogar als erste an das Buffet gelassen. Erstaunlich wie sich der Hunger wieder einstellt. Beim Sammeln fürs abendliche Bummeln durchs Städtchen spielen wir zuerst 10 kleine Negerlein. Endlich finden sich alle ein und wir genießen unseren letzten Abend trotz fetter Hühnerbeine und anderer Delikatessen bei unserem Rundgang durch Grou gleich mit einem Eis. Ein Eis geht immer noch rein. Und außerdem ist es das beste Eis in ganz Grou. Mit Schneewittchen, Merlot und Roja genießen wir in einer Bar die letzten Abendstunden.

Dienstag, 10. Juli 2012

Frühstückszeit zuerst für uns Frauen, ob die Holländer glauben, wir bekommen sonst nichts mehr ab?  Zumindest erscheinen einige Portionen der Jugendlichen überdimensional mit ca. 6 Schnitten und 5 Brötchen auf einem Teller. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Auch wir bekommen für unser Lunchpaket für jede Ruderfrau mindestens 4 Brötchen zusätzlich zu den Scheiben, die sich die meisten schon geschmiert haben. Jetzt heißt es, schnell fertig werden, denn alle scheinen auf unsere Abreise zu warten. Wir müssen mit unserem Boot zuerst wegfahren, bevor es für die anderen weitergehen kann. Komisch nur, sie jubeln uns auf unserer Fahrt nicht mehr zu. Was machen wir falsch? Im Akkrumer Hafen treffen wir auf ein JBZ-Ferienlager aus Arnsberg. Die meisten Kinder gehen auf die Realschule am Eichholz und sind Christiane nur zu gut bekannt. Die Welt ist doch klein. Die letzten Kilometer sind landschaftlich ein Traum. Wir gleiten durch schmale Kanäle, immer wieder mit Ruder lang, genießen den Sonnenschein und Christels Steuerfähigkeiten. Eine letzte Pause darf noch sein mit Eis, Kuchen und Cappuccino. In Sneek sollen wir um 16 Uhr am Ruderclub zur Bootsübergabe sein. Wir verspäten uns nur um eine Stunde und informieren netterweise den zuständigen Herrn, so dass er uns um Punkt 17 Uhr strahlend in Empfang nimmt. Zuerst Skulls, Seesäcke, Fender und alles andere raus. Dann geht es ans Herausbefördern des Kirchbootes aus dem Wasser. Wir versuchen genau den  holländisch-deutschen Anweisungen zu folgen. Wir werden in bestimmte Dienste eingewiesen. Tau halten, Transportwagen bewegen, Wagen runter drücken, auf den Wagen setzen, Boot mit Tau herumziehen, langsam Boot auf den Wagen ziehen, zum Glück gibt es eine Seilwinde, so dass wir nicht mit reiner Muskelkraft das Boot auf den Wagen ziehen müssen. Endlich rollt es ganz leicht auf den Wagen, wir haben es geschafft und dürfen das Boot am Zaun stehen lassen und müssen es nicht in die kleine Ecke vor dem Bootshaus unterstellen. Jetzt kann es zum Stayokay gehen. Marion hat allerdings den Schlüssel gut im Koffer verstaut, der sich in der Unterkunft vom ersten Tag befindet. Also muss ein Shuttelbus eingerichtet werden und Renate bringt Marion vom Stayokay mit dem Bullischlüssel zurück zu den wartenden Ruderkolleginnen, die sich die Zeit mit dem Genießen der restlichen Plätzchen vertrieben haben. Das Abschiednehmen von der wunderschönen Tour wird noch mit dem Genuss von holländischen Fritten, Frikandeln und einigen weiteren Spezialität des Landes hinausgeschoben. Zum Glück waren wir so ziemlich die ersten, denn nach uns waren einige Spezialitäten ausverkauft. Glücklich und zufrieden treten alle die Heimreise an.

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